Konzept

Idee und Hintergrund

Ausgangslage

Menschen mit Mehrfachdiskriminierung – dazu gehören lesbisch lebende Frauen generell, insbesondere frauenliebende Frauen im Alter und Lesben mit Behinderung – sind in hohem Maße von Isolation und Diskriminierung betroffen. Die Diskriminierung besteht unter anderem darin, dass ihre Lebensweise verschwiegen wird und Lesben nicht als Zielgruppe mit eigenen Bedürfnissen benannt oder wahrgenommen werden. Sie haben mit zusätzlich erschwerten Bedingungen auf dem Weg in ein erfülltes Alter zu kämpfen.

In den Diskussionen um Seniorenarbeit ebenso wie in den bestehenden Einrichtungen für Senior:innen wird in der Regel nicht auf lesbische Frauen eingegangen. Gleiches gilt für die Behindertenhilfe. Lesbische Frauen bleiben als Gruppe unsichtbar, unbemerkt, übersehen. Im Unterschied zu schwulen Männern haben lesbische Frauen fast keine Lobby, fast keine öffentlichen Fürsprecher:innen – und lesbische Frauen im Alter oder Frauen mit Behinderung erst recht nicht. Hier kommt die strukturelle Benachteiligung von Frauen zum Tragen.

Selbstbestimmtes und diskriminierungsfreies Zusammenleben, Teilhabe und ein erfülltes Leben sollen für Lesben im Alter in einem übergreifenden Zentrum möglich sein, das Wohnen, Pflege, Beratung, gesundheitspräventive Angebote und kulturelle Veranstaltungen verbindet. Idee des Projektes ist es, einen inklusiven Ort zu schaffen, an dem frauenliebende Frauen in einer solidarischen Frauen-/Lesbengemeinschaft wohnen und leben können und bis zu ihrem Lebensende selbstbestimmt und so selbstständig wie möglich bleiben können. Die Angst, im Alter isoliert zu sein, in einer Senioreneinrichtung leben zu müssen, in der lesbische Biografien keinen Platz haben, keine Chance auf ein Zusammentreffen mit lesbischen Freundinnen zu haben, geschweige denn neue Freundschaften mit Lesben schließen zu können, hat viele Besucherinnen und Nutzerinnen von RuT bewegt, sich über Möglichkeiten des Zusammenlebens in solidarischer Gemeinschaft Gedanken zu machen. Damit wurde vor rund zehn Jahren die Idee geboren, ein Wohnprojekt für Lesben ins Leben zu rufen, intergenerativ und inklusiv.

Bezahlbarer Wohnraum und Versorgungssicherheit

Idee des Projektes ist es, einen inklusiven Ort zu schaffen, an dem frauenliebende Frauen in einer solidarischen Frauen-/Lesbengemeinschaft wohnen und leben können und bis zu ihrem Lebensende selbstbestimmt und so selbstständig wie möglich bleiben können. Für diese Zielgruppe gibt es kein vergleichbares Angebot. Der wachsenden Zahl lesbischer Frauen, die in die Jahre kommen, steht kaum ein auf ihre Interessen und Bedürfnisse ausgerichtetes Angebot gegenüber. Dieses Projekt will einen Beitrag dazu leisten, diese Versorgungslücke zu schließen. Mehrere hundert Interessentinnen haben sich eingetragen, es kommen permanent weitere Anfragen. Vielen ist die Selbstbestimmung von Frauen und die Bestimmungshoheit über „ihr“ Wohnprojekt von großer Bedeutung.

Wir sehen überdies einen dringenden Bedarf, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, dessen Miete auch für sozial Schwächere bezahlbar ist. Das geplante Projekt hat sich diese zum Ziel gesetzt: dauerhaft bezahlbaren Wohn- und Lebensraum zu schaffen für Menschen mit Mehrfachdiskriminierung/frauenliebende Frauen aller Generationen in einer inklusiven Gemeinschaft, die das Älterwerden selbstbestimmt gestaltet. Lesbische und alleinlebende Frauen sind in besonderer Weise von Armut im Alter betroffen, darüber gibt es inzwischen eine Studie. Deshalb ist die Angst, im Alter möglicherweise sogar von Wohnungslosigkeit bedroht zu sein, sehr groß.

Zielgruppe

Das Wohnprojekt richtet sich an frauenliebende Frauen mit und ohne Behinderung, an Frauen unterschiedlichen Alters, an Frauen aller Kulturen und an die queere Community (LSBT*I),

  • die in Zusammenhängen wohnen möchten, in denen sie sich nicht erklären müssen und offen zu ihrer Lebensweise stehen können,
  • die die Begegnung mit unterschiedlichsten Frauen als Bereicherung erleben,
  • die bereit sind, das gemeinschaftliche Leben aktiv mitzugestalten,
  • die in geschützten Räumen leben möchten, ohne diskriminiert zu werden,
  • die den Kontakt zu anderen frauenliebenden Frauen erhalten möchten, auch wenn sie in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder versorgt werden müssen,
  • die nach Alternativen suchen zum Alleinleben oder zu Seniorenheimen,
  • die langfristig auf bezahlbaren Miet-Wohnraum angewiesen sind,
  • die gemeinschaftlich und selbstbestimmt ihr Alter erleben wollen.

Zentral in Berlin-Mitte gelegen, östlich vom Alexanderplatz, gleich um die Ecke vom Kino International und unweit vom Volkspark Friedrichshain, umfasst der Neubaukomplex in der Berolinastraße rund 70 Wohnungen für Lesben und Regenbogenfamilien. Fast alle Wohnungen sind altengerecht/barrierefrei geplant, einige Wohnungen rollstuhlgerecht. Die meisten Wohnungen verfügen über einen Balkon.

Pflege-Wohngemeinschaft für frauenliebende und alleinstehende Frauen

Eine Pflege-Wohngemeinschaft mit 8 Plätzen richtet sich an Frauen mit einem Pflegegrad und ist Bestandteil der Hausgemeinschaft. Jede Bewohnerin hat ein eigenes Zimmer. Es gibt einen großen Gemeinschaftsbereich, in dem gemeinsam gekocht, die Mahlzeiten eingenommen werden können und Gemeinschaft gelebt werden kann. Mit einem kultursensiblen und lesbenrespektierenden Pflegekonzept sorgen wir dafür, dass sich jede Frau mit ihrer besonderen Biografie hier aufgehoben und wohlfühlt. Die WG befindet sich im 1.OG mit einem großen Balkon davor.

Das gesamte Zentrum ist barrierefrei geplant (von einzelnen Wohnungen abgesehen). Die Gemeinschaftsräume, die Außenfläche und alle Räume im Erdgeschoss sind für alle Bewohnerinnen zugänglich.

Wir entwickeln gemeinsam eine bunte und lebendige Gemeinschaft. Hier sind Unterstützung und ein Miteinander möglich und vor allem das, was das Leben hier einmalig macht: ein frauen/lesbenfreundliches Solidarnetz, das auch hält, wenn alle Stricke reißen!

Gesundheitsprävention

Prävention und ganzheitliche Gesundheitsförderung stellen einen wesentlichen Faktor innerhalb des Gesamtkonzeptes dar. Gesundheitspräventive Gruppen und Kurse werden allen Bewohnerinnen des Projektes und interessierten Frauen stadtweit zur Verfügung stehen. Das können Kurse und Workshops wie Yoga, Qi Gong, Tai Chi, Gymnastik und Fitness, Körpertraining für Frauen ab 50 oder 60+, Tanz- sowie spezielle Bewegungsangebote für Frauen mit Behinderung sein. Ziel ist es, generell zu einer gesundheitsförderlichen Lebensweise beizutragen, zu aktivieren und damit die Lebensfreude zu stärken.

Der Rad und Tat Verein (derzeit in der Schillerpromenade in Berlin-Neukölln) wird die Beratung und Unterstützung der Bewohnerinnen des Projektes übernehmen. Einen großen Vorteil bietet das Projekt darin, dass Mitarbeiterinnen des RuT als Ansprechpartnerinnen tagtäglich vor Ort sind und jederzeit im Haus aufgesucht werden können oder auch die Frauen in ihren Wohnungen aufsuchen können. Das Projekt bietet kurze Wege zwischen professionellem Beratungsangebot und Wohnen in einem Haus.

Kultur- und Freizeitveranstaltungen

Ein breites Angebot an Kultur- und Freizeitveranstaltungen wird das Projekt zu einem lebendigen inklusiven kulturellen Zentrum für Lesben und andere Frauen aller Generationen machen. Geplant sind: Lesungen, Vortragsreihen, Ausstellungen, Tanzveranstaltungen, Erzählcafé, Café Inklusiv, Lesbenfrühstück, Spielenachmittage, Frauen-/Lesbenbibliothek, Kunsthandwerkerinnenmarkt, Tauschbörsen sowie Ausflüge, Wanderungen und Städtetouren entsprechend dem RuT-Sommerprogramm.

Auch die Selbstorganisation der Bewohnerinnen wird großgeschrieben. Sie werden hier den Raum haben, sich in Eigeninitiative und mit eigenen Ideen einzubringen und Veranstaltungen zu organisieren. Das Lesbenwohnprojekt soll ein lebendiges Zentrum inklusiver und diverser Begegnung werden. Ein Ort, der intergenerativ Nachbarschaft, LSBTI-Community und Menschen aus Bezirk und Stadtgebiet einlädt, sich auf vielfältige Weise zu begegnen.

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Unser neues Haus, das über einen multifunktionalen Veranstaltungsaal, mehrere Beratungsräume und ein Kiez-Café verfügen wird, soll zum Aufbau und Erhalt einer lebendigen Kiezkultur wesentlich beitragen. Als Trägerin bringen wir Sensibilität und Erfahrung in intersektionaler Kulturarbeit mit und wollen die Kiezkultur in Reichtum und Diversität zum Blühen bringen.

Damit verbindet sich die:

Vernetzung und diversitätsorientierte Stadtteilarbeit

Während das Projekt in Planung ist, arbeiten wir bereits konkret und konzeptionell daran, das Lesbenwohnprojekt im Bezirk Mitte bekannt zu machen mit Aktionen und Veranstaltungen. Im Hinblick auf den Standort sind eine neue Aufstellung und lokale Vernetzung notwendig. Wir gehen das Wagnis ein, uns als queeres Haus ins Zentrum des nachbarschaftlichen Miteinanders für Alle zu stellen und ein Ort der Zugehörigkeit für viele zu werden. Das heißt, Vernetzung mit Akteur*innen (Nutzer*innen des Hauses, die LSBTI-Community und das Quartier/Nachbarschaft, den Bezirk. Unsere diversitätsorientierte Stadtteilarbeit wird seit September 2022 als FEIN-Pilotprojekt durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen und das Bezirksamt Berlin-Mitte gefördert.

Fachkompetenz mit Bildungs- und Fachveranstaltungen, Beratung und Information

RuT-FrauenKultur&Wohnen versteht sich als Kompetenzzentrum rund um die Themen Lesben und Alter, Lesben mit Behinderung, Intersektionalität. Hier werden einzigartig Kompetenzen und Erfahrungswissen gebündelt, die in der Form bisher kaum zu finden sind. Vorgesehen sind Bildungsveranstaltungen, Fachveranstaltungen und Tagungen. Gleichzeitig wird das Zentrum ein Informationsort für Frauen/Lesben, der umfassend sowohl Beratung als auch Informationsmaterial bieten wird. Hier bekommen Frauen psychosoziale Beratung, Paarberatung für Frauenpaare, spezielle Beratung für Lesben mit Behinderung, Coming-out-Beratung. Das gemeinschaftliche Wohnen kann durch Beratung zur Konfliktlösung begleitet werden.

Kiez-Café und Veranstaltungssaal

Kuchen mit Schoko-Herzen und Frauenzeichen als Dekoration

Geplant ist ein öffentliches Café, das Raum bietet für Begegnungen zwischen Bewohner:innen des Hauses, der Nachbarschaft, der LSBTI-Community, Besucher:innen der Stadt und Interessierten. Denkbar ist z.B. auch ein Mittagstisch, mit dem das Kiez-Café ein Versorgungsangebot nicht nur für ältere Menschen im Kiez und im Haus, sondern für alle Interessierten bereitstellt. Angeschlossen an das Kiez-Café ist ein Veranstaltungssaal. Beides wird konzeptionell in enger Zusammenarbeit stehen.ondern für alle Interessierten bereitstellt.

Ziel ist ein lebendiges Zentrum für frauenliebende Frauen und queere Menschen, für die Nachbarschaft, den Bezirk und für Berlin. Sichtbarkeit und Teilhabe von Lesben herzustellen, sind zentrale Anliegen des Projektes. Damit lesbische Sichtbarkeit dauerhaft etabliert wird und bleibt.

Unser ausführliches Konzept als pdf